24/11/2024 0 Kommentare
WER SAGT'S: Besinnliches Berlin?
WER SAGT'S: Besinnliches Berlin?
# Berlin: Newsletter
WER SAGT'S: Besinnliches Berlin?
Joachim Ringelnatz, der Meister der schrägen Lebensweisheiten, wusste, wie man Heiligkeit mit Humor entzaubert. Der gebürtige Sachse zog 1929/30 von München nach Berlin, trug Gedichte in rauchigen Kabaretts vor, wo die Luft schwer war von Ironie und Schnaps.
Sein Zitat „Die besinnlichen Tage zwischen Weihnachten und Neujahr haben schon manchen um die Besinnung gebracht.“ trifft die Berliner Mentalität wie ein Faustschlag aufs Lebkuchenherz. Hier bedeutet Besinnlichkeit eher: Glühweinrausch statt Glockengeläut, Rummelplatz statt stiller Einkehr. Die christliche Botschaft von Liebe und Frieden wird übertönt vom Dauerpiepen der Kassenscanner und Silvesterböller.
Dabei ist die Weihnachtsgeschichte ein Aufruf zur Besinnung. Ein Kind in einer Krippe – ein Symbol für Demut und Hoffnung. Doch in Berlin wirkt es fast grotesk, sich dieses Bild vorzustellen, während man sich mit einem genervten „Icke warte hier schon ewig!“ um den letzten Bio-Braten streitet. Genau das hätte Ringelnatz gefallen – diese Unfähigkeit zur Ruhe inmitten eines lauten Chaos.
Aber genau das macht die Stadt auch so lebendig. Hier liegt die Besinnung oft in den kleinen, unerwarteten Momenten: im Lächeln eines Passanten an der Haltestelle oder in einem stillen Spaziergang am Spreeufer. Vielleicht hat Ringelnatz deshalb die Hauptstadt geliebt: Die Besinnlichkeit flieht vor dem Rummel – aber in Berlin findet sie trotzdem ihren Weg.
Kommentare