20/01/2025 0 Kommentare
NS-Symbole sind in Tempelhofer Kirche nun verdeckt
NS-Symbole sind in Tempelhofer Kirche nun verdeckt
# WAS BEWEGT BERLIN?

NS-Symbole sind in Tempelhofer Kirche nun verdeckt
Die Berliner Kirchengemeinde Alt-Tempelhof entdeckte Motive aus der NS-Zeit an ihrer Orgel. Sie stellt sich diesem Erbe und zeigt, wie ein Umgang gelingt.
Die Kunsthistorikerin Dr. Beate Rossié ist auf die Kunst aus der NS-Zeit spezialisiert. Sie hat schon viele Zeugnisse gesehen, wie die Nazi-Ideologie Berliner Kirchenkunst prägte: Gar nicht so selten hätten Gemeinden ihre Gotteshäuser mit Hakenkreuzen ausgestattet. Auch Hitlerbüsten wurden in manchen Kirchen aufgestellt. „Aber das Hitlerporträt an der Orgel in der Tempelhofer Glaubenskirche, das hat mich überrascht“, sagt die Kunsthistorikerin.
Knapp 20 Jahre war die Tempelhofer Glaubenskirche alt, als der Gemeindekirchenrat 1933 nach einem Bauschaden beschloss, sie neu zu gestalten. Die Gemeinde und Pfarrer verstanden sich als „Deutsche Christen“, eine rassistische und antisemitische Bewegung im deutschen Protestantismus. Ihr Ziel war es die nationalsozialistische Ideologie mit dem Protestantismus zu verbinden.
Das beeinflusste auch die Wahl des Künstlers. Der 1943 zum „Reichskunstwart“ erhobene Paul Thol malte die Kirche neu aus. Er brachte Ornamente und Blumen auf die Prospektpfeifen der Orgel. Eine Pfeife bemalte Thol mit einem Hitlerbild, die benachbarte Pfeife erhielt die Zahl 1933 und ein Hakenkreuz. Eine klare Bildersprache: Die damalige Tempelhofer Gemeinde begrüßte die Machtübernahme Hitlers.
Doch wie geht die Gemeinde heute mit diesem Erbe um?
2022, Bertram Schirr hatte gerade als Pfarrer in Tempelhof begonnen, suchte die Gemeinde wegen einer großen Orgelsanierung erneut einem Umgang mit diesem symbolischen Erbe der NS-Zeit. Das sei ein längerer Prozess gewesen. „Wir begannen zunächst, Akten zu sichten, wie die Bemalungen überhaupt in die Kirche gekommen sind“, erinnert sich Schirr. Im zweiten Schritt habe die Gemeinde Beate Rossié als erfahrene Kunsthistorikerin gewinnen können, eine Dokumentation darüber zu erstellen.
Diese liegt jetzt vor und zeichnet ein fundiertes Gesamtbild, wie stark die Gemeinde von den Ideen der „Deutschen Christen“ dominiert war. Beispielhaft zeigt Beate Rossié an der Glaubenskirche, wie die „Deutschen Christen“ ihre Ideologie auch in ein bildliches Programm umsetzten. Auf einer Informationstafel dokumentierte sie ihre Forschungsergebnisse. Die Tafel zeigt, was an dieser Orgel nicht mehr sichtbar ist: Denn filigranes, japanisches Papier auf den Orgelpfeifen verdeckt nun die Bilder mit Hitler, Hakenkreuz und Jahreszahl.
Karin Broll ist die Vorsitzende des Gemeindekirchenrates in Alt-Tempelhof und nennt die Überdeckung der Bilder und die erklärende Tafel einen „längst notwendigen Schritt“ die Geschichte unserer Gemeinde aufzuarbeiten. „Wir wollen uns mit unserer Vergangenheit auseinandersetzen, damit die Lehren aus der Geschichte des Nationalsozialismus lebendig bleiben gerade für junge Menschen und die zukünftigen Generationen ist das besonders wichtig“, sagt sie.
NS-Symbole in Kirchen sind mehr als Einzelfälle
Dass NS-Symbole in Kirchen keine Einzelfälle sind, darüber hat Beate Rossié schon seit zwei Jahrzehnten geforscht und ihre Ergebnisse über den Kirchenbau in Berlin während der Zeit des Nationalsozialismus in einem Buch veröffentlicht. Über 800 Kirchen wurden damals deutschlandweit errichtet. In Berlin-Mariendorf wurde 1933 bis 1935 die Martin-Luther-Gedächtniskirche erbaut. Im Inneren stehen christliche Symbole neben den der Nationalsozialisten und zeigen ein komplettes Bildprogramm der „Deutschen Christen“. In Rudow und Spandau entdeckten Gemeinden Hakenkreuze an ihren Glocken. Sie werden inzwischen nicht mehr geläutet und sind in Museen überführt worden.
„Vorbildlich“ nennt Superintendent Michael Raddatz den Umgang der Gemeinde in Alt-Tempelhof mit ihrem Erbe. „Der Dreiklang von wissenschaftlicher Aufarbeitung, erklärender Tafel und Verdeckung bringe Klarheit über die eigene Geschichte der Gemeinde. „Der Beschluss der Synode zum Umgang mit nationalsozialistischen und rassistischen Darstellungen, die aus dem liturgischen Gebrauch heraus genommen werden müssen, ist hier beispielgebend umgesetzt“, sagt der Superintendent des Kirchenkreises Tempelhof-Schöneberg. Erinnerungskultur habe im Kirchenkreis Priorität.
Cornelia Schwerin
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