24/02/2025 0 Kommentare
Gespräch mit dem Künstler und Kurator Michael Müller zum Aschermittwoch
Gespräch mit dem Künstler und Kurator Michael Müller zum Aschermittwoch
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Gespräch mit dem Künstler und Kurator Michael Müller zum Aschermittwoch
In diesem Jahr hält der Berliner Künstler und Kurator Michael Müller beim ökumenischen Aschermittwoch der Künstler und Künstlerinnen am 5. März um 18 Uhr in der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum (Berlin Charlottenburg) die Künstlerrede. Wir haben mit ihm über seine Gedanken zu Aschermittwoch gesprochen:
Sie halten beim ökumenischen Aschermittwoch der Künstler und Künstlerinnen die Künstlerrede. Was dürfen die Zuhörenden erwarten?
Michael Müller: Ich glaube, das wird eine private, sehr persönliche Collage über unsere Zeit. Es passiert gerade unglaublich viel, vor allem im politischen Kontext, nach der US-Wahl und auch nach der Bundestagswahl hier bei uns. Der ethische Kompass, der uns alle verbindet, ist verschoben, vielleicht sogar verloren gegangen. Mich erschreckt, wie schnell und mit welcher Selbstverständlichkeit das passiert, wie anfällig wir für Ersatzreligionen sind, von denen unser narzisstischer Kapitalismus eine Menge bietet.
Sind das die Schatten, von denen Sie sprechen wollen? Ihre Rede ist ja mit „Die Kälte der zukünftigen Schatten“ überschrieben …
Ja, es scheint manchmal, als hätten wir uns nach Corona mit einem weiteren Virus infiziert, als würden wir alle wieder unter Fieber stehen. Unsere Zeit ist übererregt, und wir sind immer mehr verloren. Eigentlich ist Sprechen nicht mein Metier. Deshalb habe ich zuerst nein gesagt, als ich gefragt wurde, ob ich die Künstlerrede halten möchte. Dann kam mir ein Plakat ins Bewusstsein, das ich vor ein paar Jahren irgendwo gesehen habe: „Aufwachen, bevor es zu spät wird“. Die Schatten müssen wir benennen. Dazu fühlte ich mich gerufen.
Im vorletzten Jahr haben Sie sich bei Ihrer Ausstellung „Am Abgrund der Bilder“ in St. Matthäus intensiv mit dem Holocaust auseinandergesetzt. Welche Botschaft wollten Sie vermitteln?
Ich beschäftige mich in meiner Arbeit schon lange mit dem Thema, vor allem mit der Frage: Ist eine ästhetische Bearbeitung des Holocaust überhaupt möglich? Ist das nicht eine unzulässige Überhöhung? In diesem Kontext habe ich Gerhard Richters „Birkenau“-Zyklus dahingehend bearbeitet, dass ich dessen malerische Schichten freilegt habe. Wir haben keine Antworten auf die Frage, aber dass wir uns damit auseinandersetzen, halte ich für geboten.
Welche Rolle spielt sowohl bei Ihrem Vortrag als auch bei der Ausstellung die Tatsache, dass sie in einem sakralen Raum stattfinden?
Da bin ich sehr nüchtern. Das Sakrale, den religiösen Kontext, stellen Menschen her. Der sakrale Raum ist ein sozialer Raum, der dadurch entsteht, dass Menschen miteinander beten, ihren Glauben oder ihren Zweifel miteinander teilen. Es geht um Verständigung – was teilen wir, wo sind wir gemeinsam in unserer Not.
Aus theologischer Sicht bringt der Aschermittwoch Menschen in Kontakt mit den Grundfragen des Lebens: „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst“. Können Sie mit diesem Standpunkt etwas anfangen? Teilen Sie ihn?
Wir sind Sternenstaub – das stimmt sowohl aus der Sicht eines Atheisten als auch eines Gläubigen. Der Satz ruft die Idee der Demut auf und spricht gegen unsere Hybris des ständigen Optimieren-Wollens. Einerseits kann der Satz Angst machen – jedoch nur dann, wenn man eine falsche Vorstellung vom Leben hat. Er kann aber auch sehr befreiend sein, weil man nicht in der Hybris leben muss: Ist mein Leben noch lang genug, um alles zu tun, was man gerne tun würde? Ich finde: Eine Definition von Leben ist ohne das Bewusstsein seiner Endlichkeit nicht möglich.
Zur Person
Michael Müller lebt als Künstler und Kurator in Berlin. Sein künstlerisches Werk umfasst Medien wie Skulptur, Installation, Malerei und Zeichnung. Ein häufig wiederkehrendes Thema seiner Arbeiten ist das der Übersetzung. Damit kann sowohl die Übersetzung von einer Sprache in eine andere gemeint sein als auch die Übertragung von einer Realitätsebene in eine andere. Von 2015 bis 2018 war Michael Müller Gastprofessor an der Berliner Universität der Künste.
Zu seiner Website: studiomichaelmueller.com
Zur Veranstaltung: www.karmel-berlin.de/kloster/veranstaltungen
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