Kirschen und Kirchen am Weg

Kirschen und Kirchen am Weg

Kirschen und Kirchen am Weg

# THEOLOGIE DER STADT

Kirschen und Kirchen am Weg

Von Andrea Richter

„Kommen Sie! Setzen Sie sich! Sie müssen unsere Kirschen probieren!“ So klingt brandenburgische Gastfreundschaft. Seit dem Morgen schon sind wir unterwegs und haben bereits 21 Kilometer hinter uns gebracht. Längst tun die Füße weh und der Wunsch, endlich anzukommen ist groß. Dennoch tut die Unterbrechung gut. Obgleich wir nur einen einzigen Tag pilgernd unterwegs sind, teilen wir die Erfahrung, die Pilgerinnen und Pilger seit Jahrhunderten machen: Es sind die kleinen und einfachen Gesten am Wegesrand, die einen unterwegs zu Hause sein lassen.

Ein Pilgertag hilft, Abstand zu gewinnen, einmal wieder den eigenen Körper zu spüren und sich neu zu sortieren. Ich kann durchatmen und das Gespräch mit mir selbst aufnehmen - vielleicht auch mit Gott. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Der Zisterziensermönch Bernhard von Clairvaux wusste schon im 12. Jahrhundert Rat für gestresste und erholungsbedürftige Menschen. An ihn erinnert der Bernhardspfad, der heute rund um das Kloster Lehnin führt - an insgesamt sechs Kirchen vorbei. Es sind besondere Orte zum Verweilen, Stillwerden und Lauschen. Man kann einen Psalm beten, einen guten Gedanken hören, oder einfach Dasein, den Atem spüren. Und hinter der körperlichen Erschöpfung Dankbarkeit für das Leben empfinden.

Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weiter gibt, während jene wartet, bis sie erfüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter...

Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen und habe nicht den Wunsch freigiebiger zu sein als Gott. Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird zur See. Die Schale schämt sich nicht, nicht überströmender zu sein als die Quelle...

Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst. Wenn du nämlich mit dir selbst schlecht umgehst, wem bist du dann gut? Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle, wenn nicht, schone dich.

Bernhard von Clairvaux (1090-1153)



Informationen zum Pilgerweg sowie ein Pilgerheft mit spirituellen Impulsen für den Weg finden Sie hier

Andrea Richter ist die Landespfarrerin fürSpiritualität in der Evangelsichen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

Foto: Silvio Herrmann-Elsemüller

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