27/01/2025 0 Kommentare
„Ich suche nicht unbedingt nach dem frommen Film“
„Ich suche nicht unbedingt nach dem frommen Film“
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„Ich suche nicht unbedingt nach dem frommen Film“
Filmfans zählen schon die Tage, bis sie endlich startet: Die Berlinale. Am 13. Februar 2025 geht’s los. Eine intensive Zeit, auch für Pfarrer Roland Wicher, den Filmbeauftragten unserer Landeskirche. Ein Gespräch.

Herr Wicher, welche Aufgaben hat ein Filmbeauftragter bei der Evangelischen Kirche?
Roland Wicher: Bei der Berlinale organisiere ich vor allem die Arbeit der ökumenischen Filmjury. Zur Jury gehören zu gleichen Anteilen katholische und evangelische Mitglieder, insgesamt sind das sechs Personen. Wenn das Programm der Berlinale draußen ist, stellen wir die Filme zusammen, die die Jury anschauen soll. Dazu gehören alle Wettbewerbsfilme, außerdem sieht ein Teil der Jury zehn Filme aus dem Forum, die andere Teiljury zehn Filme aus dem Panorama.
Das heißt also mehr als 30 Filme insgesamt, die sich die Jurymitglieder ansehen?
Ja, das ist schon eine ganz schön anspruchsvolle Aufgabe. Ich schreibe für jeden Juryteilnehmer eine Art Stundenplan, damit alle wissen, wann sie wo sein müssen. Das Timing und die Orte miteinander zu verbinden, ist nicht immer ganz einfach, gerade bei unseren Distanzen hier in Berlin.
Gehören Sie auch selbst zur Jury der Berlinale?
In diesem Jahr nicht, ich war 2013, 2020 und 2022 Juror bei der Berlinale. Als Filmbeauftragter bin ich auch bei anderen Festivals dabei – 2025 zum ersten Mal in Cannes. Das ist mir eine ganz besondere Freude und Ehre. Und ich kann mir bei der Berlinale jeden Film ansehen, der auch auf dem Programm der Jury steht.
Ihr Tipp für einen Besuch der Berlinale – die Auswahl fällt ja nicht leicht und an Karten zu kommen, ist auch nicht ganz einfach …
Sobald das Programm draußen ist: früh und schnell am Start sein. Wer unbedingt Wettbewerbsfilme sehen möchte, hat bei den Releases, also bei den weiteren Aufführungen nach der Premiere, Chancen, auch wenn die Promi-Dichte nicht mehr ganz so hoch ist. Bei der Sektion Generation, den Kinder- und Jugendfilmen, gibt es immer Möglichkeiten, an Karten zu kommen – diese Filme sind für Menschen jeden Alters sehenswert. Oder in der Retrospektive. Wer Interesse für ein bestimmtes Land hat, kann auch nach Länderschwerpunkten auswählen.
Was fasziniert Sie persönlich an Filmen?
Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Kunst schon immer eine große Rolle spielte. Mein Kunstlehrer in der Schule hat mit uns Filmanalysen gemacht, Bild für Bild, Einstellung für Einstellung haben wir den Klassiker „Der Dritte Mann“ analysiert. Das hat mich geprägt, ebenso wie der Kontakt zu Werner Schneider-Quindeau, der Leiter meines theologischen Konvikts und ein absoluter Cinéast war. Seit 1999 habe ich in Festivaljuries mitgewirkt, seit 2017 bin ich neben meiner Arbeit als Theologe und Pfarrer als Filmbeauftragter tätig. Ich suche nicht unbedingt nach dem frommen Film. Für mich ist Film eine Form, in der wir der Wirklichkeit nochmal anders begegnen können.
Welcher Berlinale-Film hat Sie in den letzten Jahren besonders beeindruckt?
Das war Thomas Stubers „In den Gängen“ von 2018. Wegen der Zartheit der Liebesbeziehung, die nur angedeutet wird, der Begegnungen, die hoffen lassen, aber auch Hinweise auf Elend und Gewalt geben. Ein Film mit vielen tollen Bildideen, großartigen Schauspielern, Franz Rogowski, Sandra Hüller, Peter Kurth. Ein Film, der gleichzeitig wehtut und tröstet.
Warum gibt es eigentlich eine ökumenische Filmjury?
Kirchliche Filmjuries gehören zu den ältesten unabhängigen Filmjuries überhaupt. Die erste offizielle Ökumenische Jury konstituierte sich 1973 auf dem Internationalen Filmfestival von Locarno. Der damalige Festival-Chef wollte die christlichen Kirchen mehr in die Filmfestspiele einbinden. Seitdem ist das ein fester Bestandteil der Filmarbeit sowohl der katholischen als auch der evangelischen Kirche. Wir nehmen Film als Kunstform sehr ernst. Das Medium Film hat eine Eigenlogik, die nicht zu vereinnahmen ist. Gleichzeitig sind Filme voller religiöser oder spiritueller Gehalte, die mit unseren glaubensmäßig übereinstimmen. Ein Film kann wie eine Art Gleichnis sein.
Die Gewinner des Preises der ökumenischen Jury der diesjährigen Berlinale veröffentlicht Interfilm, das internationale Netzwerk für den Dialog zwischen Kirche und Film: www.inter-film.org
Foto: Klaus Böse
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